Ein Baum verbindet Generationen

27. April 2022

Greta (7) und Grete (89) haben sich im Park des Seniorenzentrums St. Josefshaus kennengelernt.

Grete-Lore Böcher, die am 31. Juli 90 Jahre alt wird, erinnert sich noch genau daran, wie sie Greta (7) vor einem Jahr begegnet ist. „Wie viele Runden läufst Du denn da?“, fragte sie neugierig. „Ich gehe drei Mal so rum und einmal ums Haus“, antwortete die Bewohnerin des St. Josefshauses, in das sie ein halbes Jahr früher eingezogen war. „Dann läufst Du aber viel“, stellte das Mädchen fest, das nachmittags gegenüber den Kinder- und Schülerladen „Die Wilde 13“ besucht, und pflückte der Seniorin einen Strauß aus Gänseblümchen und Klee von der Wiese. Und Böcher
zeigte der Kleinen, wo man dort einen Baum pflanzen könnte. 
Ein Jahr später sitzen die ehemalige Pfarrersfrau und die Erstklässlerin gemeinsam mit anderen Bewohnern und Mitarbeitern des Seniorenzentrums unter einem riesigen blühenden Kirschbaum
an gedeckten Tischen und strahlen, während ein Bagger ein  tiefes Loch für einen prächtigen Blauglockenbaum, der auch Kaiserbaum genannt wird, gräbt. 
30 Jahre lang arbeitete der verstorbene Mann von Böcher als Pfarrer, bis zu seiner Rente in Eckenheim. Als er starb, begann sie zu malen und „mein Leben neu zu gestalten“. Sie hatte  Ausstellungen in Frankfurt und in der Rhön. „Jetzt geht das Malen nicht mehr“, sagt die lebenslustige Frau, die wegen einer Augenkrankheit kaum noch sehen kann. „Aber die Bilder gibt es und
viel zu wenig Bäume im Park“, sagt sie lachend. Also organisierte sie kurzerhand eine Tombola, um für Greta einen Baum zu pflanzen. „Wegen Corona mussten die Besucher unseres Heims auf ihre Testergebnisse warten. Da habe ich einfach jeden angesprochen“, erzählt Böcher fröhlich. Eine Mitbewohnerin gestaltete Flyer, zudem bastelten die Damen 200 Lose. Drei Kunstwerke hat die einstige Malerin als Preise für die Tombola gestiftet. „Die Lose wurden immer weniger, der Hauptgewinn war noch da.“ Am vierten Advent ist sie dann mit ihren letzten fünf Losen zum Hausmeister an die Pforte gegangen. „Ich habe für Sie ein Weihnachtsgeschenk“, habe ich ihm gesagt und er nahm die Lose. Drei Nieten hat er geöffnet, dann den Hauptgewinn – ein Bild mit einer großen Wasserwelle in Acryl auf 40 mal 50 Zentimetern.“ 
Die beiden anderen Bilder von ihr, die eine Baumgruppe zeigen und Pappeln im Sonnenuntergang, waren bereits vorher weg. Insgesamt 1500 Euro sind so zusammengekommen, um den Traum von Grete-Lore und Greta wahr werden zu lassen. „Die ersten zwei Euro habe ich gespendet“, erzählt Greta stolz, die liebend gern auf Bäume klettert. Ihr Papa Jörg Kahle (47) konnte ihren Wunsch nicht abschlagen. Er lacht. „Die beiden haben sich auf Anhieb gut verstanden und die Idee mit dem Baum ist einfach toll.“ Ganz einfach war es nicht mit der Aktion. „Frau Böcher und Greta haben uns die Augen geöffnet“, lobt die Einrichtungsleiterin Brigitte Hoppe die Power der beiden. „Einige Bäume waren wegen der Trockenheit abgestorben und sie hatten einfach die geniale Idee.“ Schwierig sei es gewesen, weil Spenden in Altenheimen generell nicht erlaubt sind. Also haben sie gemeinsam alle Genehmigungen beim Regierungspräsidium Darmstadt eingeholt, die Tochter einer Bewohnerin ist Landschaftsgärtnerin und hat bei der Auswahl der klimarobusten Bäume geholfen und der Gärtner hat mit seinem Team ohne Extrakosten den 12 Jahre alten Kaiserbaum und eine ebenso alte kaukasische Flügelnuss gepflanzt, die das St. Josefshaus dazu spendiert hat. „Jeder starke Baum war einmal eine zarte Pflanze. Jede gute Tat beginnt mit einem  kleinen Gedanken“, kommentiert Hoppe die gelungene Pflanzaktion. Böcher zieht den gepressten Blumenstrauß von Greta aus einer Hülle und zeigt ihn dem Mädchen. „Dass Du den noch hast“,
staunt Greta. „Natürlich. Ohne ihn gäbe es jetzt keinen neuen Baum. Jetzt fehlt nur noch eine Bank am Baum mit einer Plakette.“ Greta strahlt ihre erwachsene Freundin an, die ihre Großmutter sein könnte. „Dann müssen wir einfach noch eine Tombola machen, damit Du und alle anderen hier unter dem Baum sitzen können“, schlägt sie der Runde lachend vor. Auch Wohnheimleiterin Brigitte Hoppe findet die Idee gut. „Dazu gibt es dann eine Plakette, damit jeder weiß, wer sich so toll für unseren Park einsetzt.“ 

(c) Sabine Schramek - Frankfurter Neue Presse


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